Augsburg 1

ENE, MENE, MISTE – WAS ZAPPELT IN DER KISTE?
- Urmel und seine Freunde im Puppenkisten-Museum

Sie ist ein Stück deutsche Nachkriegsgeschichte. Die Augsburger Puppenkiste wurde 1948 von Walter Oehmichen gegründet. Fast genauso lange sind Urmel, Jim Knopf & Co. im Fernsehen zu bewundern. Die Inszenierungen für den Hessischen Rundfunk, die bereits 1953 unter der Regie von Fritz Umgelter begannen, haben das Marionettentheater weltberühmt gemacht. Die Vorstellungen im ehemaligen Heilig-Geist-Spital sind oft lange im Voraus ausverkauft. Spontan an Karten zu kommen, ist deshalb schwierig. Weil viele Menschen von außerhalb in der Vergangenheit enttäuscht wieder nach Hause fahren mussten, hat die Theaterleitung im Jahr 2000 ein Museum eröffnet. Da wenigstens können alle Puppenkisten-Fans ihre Lieblinge das ganze Jahr über sehen. Und wer frühzeitig Karten online bestellt hat, kann vielleicht doch eine Aufführung mit den kleinen "Zappel-Philippen" live miterleben.

Reportage (Radio hr4, 10.08.2013):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

Der "Räuber Hotzenplotz" ist ein Klassiker im Repertoire der Augsburger Puppenkiste. Seit 40 Jahren schon wird er gespielt. Die Stücke aus den Fernsehinszenierungen dagegen standen nie auf dem Theaterprogramm. Dafür ist die Bühne viel zu klein. Stattdessen wurden im Foyer riesige Kulissenlandschaften aufgebaut. Zum Beispiel Jim Knopfs Insel Lummerland mit dem legendären "Meer" aus Plastikfolie, erzählt Puppenkisten-Autor und -Regisseur Peter Scheerbaum.

[O-Ton Peter Scheerbaum:]

"Es war ursprünglich nur ein großes Loch in der Bühne, das mit blauem Stoff ausgeschlagen war, und irgendjemand kam dann an und hatte wirklich ganz normale Frischhaltefolie, und plötzlich hatte man dann in der Kamera diesen lebendigen Effekt drin, und es war einfach so, dass immer diejenigen, die nix zu tun hatten, standen an der Seite und haben ganz einfach mit den Händen auf und ab bewegt, die große Folie, dass die immer lebendig ist."

[Musik: Lummerland-Lied – "Eine Insel mit zwei Bergen und 'nem tiefen blauen Meer..."]

Räuber Hotzenplotz
Jim Knopf und Lukas
Das Sams

Im Puppenkisten-Museum ist es nachgebaut, das Folienmeer, dazu ganz Lummerland mit Lukas dem Lokomotivführer, Herrn Ärmel und König Alfons dem Viertelvorzwölften. Zu sehen sind dort natürlich auch alle anderen Stars aus dem Fernsehen: Bill Bo und seine Kumpane, die Blechbüchsenarmee, der Löwe, das Sams und viele mehr. Wenn man aber Besucher nach ihren Lieblingsfiguren fragt, werden nur zwei Namen genannt:

[Umfrage:]
"Spontan fällt mir da eigentlich Jim Knopf ein."
"Urmel, Urmel aus dem Eis."
"Jim Knopf."
"Urmel, immer Urmel, von Anfang an."

Dass gerade das Findelkind Jim Knopf und Urmel, der kleine lebenslustige Dino, so beliebt sind, erklärt sich Peter Scheerbaum mit dem Beschützerinstinkt, den sie in uns wach rufen. Und besonders im Falle Urmeli hatte sicher auch die Stimme des Puppenspielers großen Anteil:

[Musik: Urmel-Lied – "Alle Mamis sagen immer, Kindlein, gib fein acht…"]

[O-Ton Peter Scheerbaum:]
"Das war Max Bößl, der wirklich eine so einprägende einmalige Stimme hatte und selber so ein bissel ein naiver Typ war und das wirklich 1:1 in seine Rolle weitergeben konnte. Auf der Bühne spricht er bei uns im Räuber Hotzenplotz den Seppl, völlig naiv, zum Totlachen. Ich denk', das hat auch die Puppenkiste, ihren Charme, einfach ausgemacht."

Der Löwe ist los
Bill Bo und seine Kumpane
Puppenspieler in Aktion

Viele Besucher im Puppenkisten-Museum sind mit ihren Lieblingen älter geworden. Aber das besondere Flair des Marionettentheaters begeistert auch noch jüngere Generationen, selbst die technikverwöhnten Kids des 21. Jahrhunderts.

[O-Ton Peter Scheerbaum:]
"Was für uns wirklich ganz toll zu beobachten ist – Kinder, die vor der Vorstellung im Foyer sitzen, die einen Gameboy dabei haben, die nehmen den vielleicht noch mit rein in den Zuschauerraum, aber in dem Moment, wenn das Stück anfängt, es ist dunkel, ich geb' Ihnen 20 Sekunden und keiner schaut mehr auf sein Handy oder was auch immer."

Na, dann, liebe Puppenkistler, wünschen wir weiterhin toi, toi, toi! Und auf Wiedersehen.

[Ausschnitt aus "Urmel aus dem Eis" der Augsburger Puppenkiste:]
"Tschüss!"

 

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Video:
Blick hinter die Kulissen – Szene aus dem "Räuber Hotzenplotz", gefilmt hinter der Bühne

 

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LEBENDIGE HOLZKÖPFE
- wie die Marionetten entstehen

Sie wirken so lebendig und bestehen doch nur aus Holz – aus Lindenholz, um genau zu sein. Die Marionetten der Augsburger Puppenkiste sind kleine Meisterwerke der Schnitzkunst. Theatergründer Walter Oehmichen hat diese Kunst beherrscht und offenbar an seine Tochter Hannelore Marschall weitervererbt. Jahrzehnte lang war sie die Chefin des Hauses und schnitzte alleine mehr als 6.000 Puppen.
Andere Mitglieder des Ensembles waren und sind für das Nähen der Kostüme zuständig, für das Knüpfen der Perücken usw. Schließlich müssen die Puppen noch aufgeschnürt werden, damit sie sich bewegen. Alles in allem dauert es etwa 40 Stunden, bis eine Puppe fertig ist.
Die ganze Entwicklung einer Marionette vom groben Holzklotz bis hin zur bühnenreifen Figur zeigt 2013 eine Sonderausstellung im Puppenkisten-Museum.  

 

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NICHT NUR KINDERPROGRAMM
- das Kabarett in der Puppenkiste

Berühmt geworden ist die Puppenkiste weit über Augsburg hinaus mit ihren Stücken für Kinder. Aber nicht nur nachmittags öffnet sich die Kiste für Theaterbesucher, auch abends (außer montags). Dann stehen Stoffe für Erwachsene auf dem Programm: Goethes "Faust" zum Beispiel, Mozarts "Zauberflöte" oder "Die Entführung aus dem Serail".
Von Silvester bis Ende Juni/Anfang Juli gibt es zudem allabendlich ein Kabarett mit politischer Satire, gespielten Witzen und Tanznummern – natürlich mit eigens dafür angefertigten Marionetten. Da ist dann z.B. eine hölzerne Kanzlerin Angela Merkel zu sehen, eine Claudia Roth und ein Gregor Gysi ebenso wie die "Rolling Stones" Mick Jagger und Keith Richards. In den Pausen dürfen die Zuschauer einen Blick hinter die Kulissen werfen, wo die Puppen fein säuberlich aufgehängt sind und die Puppenspieler bereitwillig Fragen beantworten.
Leider ist auch das Kabarett meist ausverkauft. Deshalb Karten unbedingt im Voraus bestellen!

 

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Hier geht's weiter ins Goldene Zeitalter der Stadt und zur Reportage Augsburg 2.