Alaska 6

ANCHORAGE
- Kulturschau der Ureinwohner

Trotz Gold- und Kupferrausch: Die (weiße) Besiedelung von Alaska kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg so richtig in Gang. Die Amerikaner hatten die strategische Bedeutung ihres Territoriums am Ende der Welt erkannt und gründeten mehrere Militärbasen. Tausende von Soldaten mit ihren Familien sorgten für einen rapiden Einwohnerzuwachs. Die Ureinwohner, Indianer und Eskimos, wurden bald zur Minderheit im eigenen Land. Heute stellen sie gerade mal ein Sechstel der Bevölkerung. Fast die Hälfte von ihnen wohnt in den Städten und hat sich dem westlichen Lebensstil weitgehend angepasst. Eine knappe Mehrheit der Ureinwohner aber lebt noch immer weit verstreut in den entlegensten Winkeln des Landes, wo sie ihre angestammten Sprachen sprechen und ihre oft Jahrtausende alten Traditionen pflegen. Doch kaum ein Tourist verirrt sich je dorthin. Viel zu teuer wäre es und viel zu zeitaufwändig. Häufig gibt es keine Straßenverbindungen, keine Hotels, nicht mal einen Campingplatz.
Wer sich trotzdem über die unterschiedlichen Kulturen der Ureinwohner informieren will, hat im Alaska Native Heritage Center reichlich Gelegenheit. Das Zentrum in der größten Stadt Anchorage ist eine Art lebendiges Freilichtmuseum, wo Angehörige der verschiedenen Volksgruppen Einblicke in ihre traditionellen Lebensweisen gewähren. Und alle sind vertreten: von den Inupiat ganz im Norden über die Tlingit ganz im Süden bis hin zu den Aleuten im äußersten Westen Alaskas.

Reportage (Radio hr4, 20.08.2011):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

Die Folklore-Gruppe von den Aleuten sagt musikalisch "Danke fürs Kommen". Die Menschen von der Inselkette im meist sturmgepeitschten Nordpazifik tragen pelzverzierte Mützen und bunte Gewänder mit zahllosen Troddeln. Nach der Show werden sie die traditionellen Kostüme wieder gegen Jeans und Pullover eintauschen. Das 21. Jahrhundert macht auch vor den Ureinwohnern Alaskas nicht halt:

[O-Ton Harold Wilson:]
"It's very hard not to go modern …
Es ist sehr schwer sich der modernen Zeit zu entziehen, gibt Harold Wilson, unser junger Museumsführer, zu. Wir haben natürlich Gewehre, Geländewagen, Schneemobile, aber unser Leben ist immer noch wie früher auf Jagen und Fischen ausgerichtet. Abgepackte Lebensmittel aus dem Supermarkt können sich viele von uns gar nicht leisten, weil der Transport in die abgelegenen Siedlungen die Kosten in die Höhe treibt. Deshalb sind die Menschen noch heute in verschiedenen Regionen Alaskas auf natürliche Ressourcen angewiesen.
... resources in the different regions."

Harold selbst gehört wie sein Vater dem Volk der Athabaska-Indianer an, die in Zentralalaska zu Hause sind. Aber seine Mutter entstammt einem Eskimo-Volk im hohen Norden. Die Inupiak gehen noch traditionell auf Walfang. Nicht zu kommerziellen Zwecken, sondern zur Selbstversorgung.

Tanzgruppe vom Volk der Aleuten
Museumsführer Harold Wilson
Alaska Native Heritage Center

[O-Ton Harold Wilson:]
"The bowhead whale …
Der Grönlandwal zum Beispiel liefert rund sechzig Tonnen Fleisch, genug für ein ganzes Dorf. Die Haut wird separat verwertet. Das Fleisch wird gebraten, zu Eintopf verarbeitet oder sogar roh gegessen. Auch das Öl wird verwertet, als Lebertran, das ist sehr gesund, und um das Fleisch zu konservieren. Es dient auch als Stippsoße – wie Ketchup. Deshalb ist es ungeheuer praktisch Wale zu jagen, wie unsere Vorfahren es schon vor Tausenden von Jahren gemacht haben.
… for thousands of years."

Im Native Heritage Center sind die Kajaks und Geräte zum Jagen und Fischen ausgestellt. Harold und seine Kollegen führen vor, wie sie benutzt werden. Aber nicht nur die materielle Seite der verschiedenen Kulturen, sondern auch die spirituelle wird gezeigt. Sinnbild dafür ist ein zwölf Meter hoher Totempfahl der Eyak-Indianer. Ein geschnitztes Kunstwerk, das die Weltanschauung eines ganzen Familienverbandes widerspiegelt:

[O-Ton Harold Wilson:]
"At the very top …
An der Spitze haben wir den Familienältesten. Darunter sehen wir seinen Neffen in ehrerbietiger Haltung. Noch heute haben wir hohen Respekt vor den Älteren, weil wir von ihnen lernen können. In seinen Händen hält der Neffe den Deckel zur Büchse der Weisheit, die wir zu seinen Füßen sehen. Unter der Büchse der Weisheit sind die beiden Vögel der Liebe, der Adler und der Rabe. Das bedeutet, dass Heiraten nur zwischen verschiedenen Clans erfolgen sollen, um Inzest zu vermeiden. Ganz unten die beiden Kinder sollen ausdrücken, dass die Kultur an die junge Generation weitergegeben wird, damit sie fortbesteht.
… the culture will survive."

Und diesem Ziel hat sich auch das Native Heritage Center verschrieben. Deshalb hofft Harold Wilson, dass möglichst viele Menschen das Museum in Anchorage besuchen. Dann will er sie herzlich begrüßen, in der Sprache der Athabasken:

[O-Ton Harold Wilson auf Athabaskisch:]
"How are you today? ... I'm fine."

 

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