Augsburg 3

EIN GULDEN UND DREI HALLELUJA
- 500 Jahre soziales Wohnen in der Fuggerei

Schon vor 500 Jahren hielt ein Augsburger die Fäden in der Hand. Der Kaufmann und Bankier Jakob Fugger galt als reichster und damit mächtigster Mann seiner Zeit. Kaiser, Könige, sogar Päpste, buhlten um seine Gunst und um sein Geld. Aber Jakob Fugger war auch ein frommer Christ mit einem sozialen Gewissen. Anno 1514 beschloss er deshalb eine Siedlung für Bedürftige zu bauen. Für eine Jahresmiete von einem Rheinischen Gulden sollten in Not geratene Augsburger dort billig wohnen können. Der Betrag entsprach dem Wochenlohn eines Maurers oder dem Gegenwert von 36 Hühnern. Darüber hinaus mussten sich die Bewohner verpflichten täglich drei Gebete für das Seelenheil des Stifters zu sprechen.
Jakob Fuggers Sozialsiedlung, die Fuggerei, besteht bis heute, und die Miete wurde nie erhöht. Sie beträgt noch immer umgerechnet einen Gulden, nämlich 88 Cent, pro Jahr. Kein Wunder, dass die Wohnungen sehr begehrt sind. Kein Wunder auch, dass viele von Nah und Fern nach Augsburg kommen, um dieses Kuriosum zu besichtigen. So hat sich die Fuggerei zur meistbesuchten Touristenattraktion der Stadt entwickelt, und ein wenig fühlt man sich dort um 500 Jahre zurückversetzt.

Reportage (Radio hr4, 10.08.2013):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

Viel hat sich nicht verändert seit den Zeiten von Jakob Fugger. 52 Häuschen, alle einheitlich ockergelb verputzt, schmiegen sich in mehreren Reihen eng aneinander. In den Vorgärten blühen Blumen und Sträucher, im Zentrum der Siedlung sprudelt ein Springbrunnen. Eine fast ländliche Idylle inmitten der Großstadt. Und vor 500 Jahren geradezu ein Paradies:

[O-Ton Sabine Darius:]
"Augsburg war eine sehr volle Stadt, es war alles sehr beengt. Derjenige, der arm geworden ist, krank geworden ist, bedürftig geworden ist, konnte letztendlich nur ins Armenhaus gehen. Im Armenhaus war der Tagesablauf streng reglementiert, man hatte keine Privatsphäre, es war sehr eng, und dann baut Jakob Fugger diese Fuggerei, wie wir sie heute noch sehen, mit dieser Gassenbreite und mit Wohnungen, wo jeder seine eigene Haustüre hat und seinen eigenen Eingang hat, nicht einmal den mit jemand teilen muss, der wohnt wie im eigenen Haus, so ist es heute noch."

[Atmo: Türöffner und Begrüßung]

Ländliche Idylle in der Fuggerei
Ländliche Idylle mit Springbrunnen
Friederike Heimann (links) mit Sabine Darius

Stiftungsmitarbeiterin Sabine Darius schaut kurz bei Friederike Heimann rein. Die alte Dame lebt seit 2005 in der Fuggerei. Zwei Zimmer, Küche, Bad, WC – das ist ihr kleines Reich. Mittlerweile hat sie die Achtzig überschritten, und die Treppe bereitet ihr zunehmend Mühe, aber trotzdem fühlt sie sich hier wohl, und die Leute in der Stadt beneiden sie sogar ein wenig:

[O-Ton Friederike Heimann:]
"Die schaun mi immer an als wenn i von em andern Stern komm [lacht]. Die sagen immer, mei, das is ja toll in d' Fuggerei, wenn ma da wohne kann. Hab i gsagt, ja, doch, des is scho schön herin."

Auch wenn es nicht ganz so billig ist, wie es zunächst klingt. Die Nebenkosten müssen die Mieter nämlich größtenteils selbst tragen.

Bewohnerin der Fuggerei
Denkmal von Jakob Fugger
Straße in der Fuggerei

[O-Ton Friederike Heimann:]
"Da kommt ja no Dings dazu, Strom, Heizung, Telefon, dann hab i Straßenbahn-Abo. Es bleibt im Ganzen no von der Rente, i krieg 450 Rente, un da bleiben dann no 170 übrig. I krieg zwar Grundsicherung vom Sozialamt, aber da wird dann die Krankenkasse abzogn un Heizung. Wenn i des alles zahlen müsst von der Rente, kennt i wirkli net leben."

Na, wenigstens kostet das Beten nichts. Denn auch das wird nach wie vor von den Bewohnern erwartet. Da hat sich seit Jakob Fuggers Zeiten nichts geändert.

[O-Ton Sabine Darius:]
"Und zwar sind die drei Gebete das 'Vater unser', das 'Ave Maria' und das 'Glaubensbekenntnis'. Das war ihm sehr wichtig, das war die Denkweise des ausgehenden Mittelalters. Es war sehr wichtig, dass, wenn man dann gestorben ist, dass für einen gebetet wird."

Ob sich wirklich alle Bewohner daran halten, kann und will Sabine Darius zwar nicht kontrollieren, aber zumindest Frau Heimann beteuert, dass sie jeden Abend die drei Gebete spricht. Nicht nur aus Pflichtgefühl, sondern auch aus Dankbarkeit. Denn es ist schon ein Privileg, in der Fuggerei zu wohnen.

 

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JAKOB FUGGER DER REICHE
- ein "König Midas" des Renaissance-Zeitalters

Er war sozusagen ein Midas des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Neuzeit. Wie bei dem griechischen Sagenkönig wurde alles zu Gold, was er anfasste. Als Jakob Fugger die Leitung des Familienunternehmens übernahm, war es eines der bedeutendsten in Augsburg, als er starb, war es das bedeutendste der damaligen Welt.
Jakob Fugger wurde 1459 als jüngster Sohn der Tuchhändlerfamilie in Augsburg geboren. Eigentlich war ihm eine kirchliche Laufbahn zugedacht, aber schon in jungen Jahren entschied er sich für den Kaufmannsberuf. Mit 14 ging er für die Firma nach Venedig, Florenz und Rom, lernte dort alles, was ein guter Kaufmann wissen musste. Als er Jahre später nach Augsburg zurückkehrte, leitete offiziell sein Bruder Ulrich das Unternehmen, aber Jakob nahm nach und nach das Szepter in die Hand. Er gründete Niederlassungen in vielen europäischen Handelszentren wie zum Beispiel Köln, Mailand, Wien und Krakau. Zu Tuchproduktion und -handel kamen neue Geschäftszweige hinzu, vor allem Bankwesen und Kupferbergbau. Da bieß es dann: nicht kleckern, sondern klotzen! Speziell im Kupferhandel stieg Jakob Fugger sozusagen zum "Global Player" auf, er beherrschte den damaligen Weltmarkt.
Zu seinen wichtigsten (Bank-)Kunden zählte Papst Julius II., der ihn mit der Organisation des Ablasshandels in Deutschland und weiteren Ländern betraute. Dafür durfte er die Hälfte der Einnahmen behalten, die andere Hälfte floss nach Rom. Ein weiterer guter Kunde war Kaiser Maximilian I., der sich gerne Geld bei den Fuggern borgte und sich erkenntlich zeigte, indem er seine schützende Hand über das Unternehmen hielt und Jakob Fugger in den Adelsstand erhob. Im Gegenzug sorgte der Augsburger Bankier mit horrenden Summen dafür, dass die Kurfürsten Maximilians Enkel, den Habsburger Karl von Spanien, zu dessen Nachfolger wählten. Damit stand auch der neue Kaiser Karl V. in der Schuld der Fugger. Seiner Frömmigkeit zum Trotz kassierte Jakob Fugger für gewährte Kredite übrigens hohe Zinsen, obwohl er damit gegen ein Verbot der Kirche verstieß. Nur eine Vermutung ist allerdings, dass ihm dies Gewissensbisse verursachte und er auch deshalb die Bewohner der Fuggerei verpflichtete für sein Seelenheil zu beten.

Jakob Fugger der Reiche

Zum Zeitpunkt seines Todes 1525 hatte Jakob Fugger das Familienvermögen vervielfacht. Sein Neffe Anton führte die Geschäfte weiter und arbeitete eng mit Kaiser Karl V. zusammen, finanzierte dessen Kriege gegen Franzosen, Osmanen und Protestanten in Deutschland. Aber der habsburgische Monarch, der nicht nur über Deutschland, sondern auch über Spanien herrschte, konnte die Kredite irgendwann nicht mehr zurückzahlen. Der spanische Staatsbankrott 1557 unter Karls Sohn, König Philipp II., kostete die Fugger ein Vermögen und brachte sie in arge Bedrängnis. Antons Nachfolger Johann Jakob Fugger war auch persönlich hoch verschuldet und musste die Firma auf Druck seiner Brüder verlassen, um das Ansehen nicht weiter zu beschädigen. Er verkaufte seine gesamte Habe, am Ende auch seine wertvolle Bibliothek an Herzog Albrecht V. von Bayern, der damit den Grundstock für die Bayerische Staatsbibliothek legte. Diesem Umstand verdankt Johann Jakob Fugger sein imposantes Denkmal auf dem Augsburger Fuggerplatz. Dennoch steht sein Name auch für den Niedergang des Hauses Fugger. Endgültig den Garaus machte dem einstigen Weltunternehmen der Dreißigjährige Krieg (1618-48), der den gesamten Handel in Deutschland zum Erliegen brachte. 1658 wurde die Firma aufgelöst. Damit war das Lebenswerk Jakob Fuggers des Reichen zerstört. Mit dem "König-Midas"-Gen und damit der Gabe, alles zu Gold werden zu lassen, was man anfasst, waren seine Erben offenbar nicht gesegnet.

Johann Jakob Fugger

 

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