Deutsche Alpenstraße 3

EIN BISSCHEN WAS VON "HEIDI"
- Interview mit Rosi Mittermaier über die Winklmoosalm (Teil 1)

Die Deutsche Alpenstraße führt auch an einigen der beliebtesten Skigebiete Deutschlands vorbei: dem Oberjoch bei Bad Hindelang etwa, der Zugspitze bei Garmisch-Partenkirchen oder der Winklmoosalm bei Reit im Winkl. Letztere ist untrennbar mit dem Namen Rosi Mittermaier verbunden – und das schon seit einem halben Jahrhundert. 1976 war es, als die Skirennläuferin zur "Gold-Rosi" wurde. Sie gewann zwei Goldmedaillen und eine Silbermedaille bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck. Dazu holte sie im selben Jahr auch noch den Gesamtweltcup. Ihre Popularität ist seither ungebrochen. Der Wirt des Hotels "Sonnenalm" auf der Winklmoosalm schätzt, dass zwei Drittel aller Gäste wegen der Verbindung zu Rosi Mittermaier kommen. Dabei ist sie seit 40 Jahren mit dem früheren Skirennfahrer Christian Neureuther verheiratet und lebt mit ihm in Garmisch. Aber die Alm bei Reit im Winkl betrachtet Rosi immer noch als ein Stück Heimat, wo sie eine unbeschwerte Kindheit und Jugend verbrachte, wo sie sich selbst ein wenig wie die Schweizer Kinderbuchheldin "Heidi" fühlen durfte. Das alles erzählt sie im ersten Teil des Interviews – und natürlich noch mehr:

 

 

Titelfoto: Alpenidylle auf der Winklmoosalm

Interview (Radio SWR4 RP, 18.10.2020), Teil 1:

Wann waren Sie denn zum letzten Mal dort?

Jetzt war ja Corona, und da sind wir, ehrlich gesagt, net so rübergekommen. I hab ja zwei Schwestern, die im Chiemgau wohnen, nicht mehr auf der Winklmoosalm, aber da steht noch mein Elternhaus, da können wir auch jederzeit hin, aber es war natürlich net so einfach. Da simmer net so rumgefahrn und rumgereist, und so war ich 's letzte Mal im Herbst, nein an Silvester, an Silvester war mer, genau. War schön.

Ist das immer noch so ein bisschen was wie Heimat?

Ja, natürlich. Da is ja noch mein Elternhaus, das steht ja noch. Des hammer natürlich renoviert und umgebaut und isoliert und a neues Dach, und jetzt hammer a ganz, ganz nette Familie drin wohnen, die des sehr schätzen und genießen, und da muss mer halt auch a Liebe halt ham zum Berg und muss mer auch wissen, dass mer net nur einfach nebenan geht und sich's Brot kauft oder irgendwie einkaufen geht, sondern mer muss da alles im Ort unten und irgendwo vorher den Kopf beinand haben und einkaufen. So war's früher, so is heute, aber natürlich wird mer entschädigt durch einen Traum an Gegend und an Landschaft. Und so sin wir groß geworden. Und dann hab i natürlich meine zwei Schwestern, mei ältere Schwester Heidi, die is zehn Jahr älter, und die ging in München in die Schule, weil damals ging des noch nicht, dass mer von Winklmoos so einfach in die Schule gehen konnte. Die hat also bei der Großmutter in München und kam immer nur alle 14 Tage mittem Bus am Wochenende nach Reit im Winkl und Winklmoos. Die ersten drei Jahre hab ich auch bei Leuten g'wohnt in Reit im Winkl. Des liegt zehn Kilometer weg, und dort hab ich dann die ersten drei Schulklassen, bis die Evi, mei jüngere Schwester in die Schule kam, konnt' ich dort wohnen und bin immer am Wochenende mit'm Bus auf die Winklmoos g'fahrn.

Und später, wie war das dann, als Sie morgens zur Schule mussten?

Ja, sonst sin mer von meim Vati gefahrn worn, und da gab's dann noch einen von der Wirtschaft unten, Augustineralm hieß des, und da gab's ein' Bub, un da ham sich die Väter abgewechselt mit'm Fahrn – eine Woche is der gefahrn, eine Woche der andere. In so einem Aufwachsen isses so, dass einer dem andern hilft. So war des früher. Und aus dem Grunde is des, ja, eigentlich a traumhafte Kinderzeit gwesn, ganz frei, nur draußen, in der Natur, in der Luft. Wir kannten jeden Baum, jeden Stein. Alles hatte für uns Kinder Namen, wir ham dort wirklich a herrliche Zeit, herrliche Jugend g'habt.

Hatte das so'n bisschen was von "Heidi" tatsächlich auch?

Ja, des muss mer sagen, des hatte scho was von "Heidi".

Hotel "Sonnenalm" auf der Winklmoosalm
Glückliche Kühe auf der Winklmoosalm
Winklmoosalm im Schnee

SCHWESTER HEIDI ALS VORBILD
- Interview mit Rosi Mittermaier über die Winklmoosalm (Teil 2)

Rosi Mittermaiers Heimat-Alm liegt auf rund 1200 m Höhe unmittelbar an Bayerns Grenze zu Tirol. Das weitläufige Gelände um ihr Elternhaus herum zieht im Sommer zahllose Wanderer und Mountainbike-Fahrer an. Seit 2018 ist die Winklmoosalm zudem offiziell anerkannter Sternenpark (einer von nur vier in ganz Deutschland). Denn hier oben hat man des Nachts, fernab jeder künstlichen Beleuchtung, einen ungetrübten Blick auf die Milchstraße.
Im Winter ist die Winklmoosalm ein Magnet für Skisportbegeisterte. Auch "Gold-Rosi"-Mittermaier hat hier zum ersten Mal die "Brettln" angeschnallt und ist später zur Weltklasse-Athletin gereift. Ihre einzigartige Karriere verdankt sie deshalb auch ein bisschen der heimischen Alm. Aber vielleicht mehr noch ihrer großen Schwester, die wie die berühmte Kinderbuchheldin Heidi hieß, fast zehn Jahre älter ist und für Rosi ein großes Vorbild war. Dies und mehr erzählt sie im zweiten Teil des Interviews:

Interview (Radio SWR4 RP, 18.10.2020), Teil 2:

Ich hab' auch mal Ihre damalige große Konkurrentin Annemarie Moser-Pröll in Kleinarl besucht, und die hat mir erzählt, sie ist damals, weil sie auch auf 'nem Bergbauernhof aufgewachsen ist, morgens mit den Skiern im Winter zur Schule ins Dorf gefahren und das hätte doch großen Einfluss auf ihre spätere Karriere als Skirennläuferin gehabt. Wie war das bei Ihnen? Verdanken Sie der Winklmoosalm vielleicht auch einen Teil Ihres Erfolges?

Ja, auf jeden Fall, weil die Winklmoosalm is ei ganz ei sicheres Schneegebiet. Da schneit's schon sehr viel, und des war früher auch noch viel, viel schlimmer – also schlimmer? – für uns herrlich, und wir sin natürlich dort direkt draußen aufgewachsen. Der Vater war auch staatlich geprüfter Skilehrer, der hatte die Skischule, und da hat mer natürlich draußen im Schnee gespielt. Des is ja logisch, da blieb dir nix anderes übrig. Wir sind schon, einige Male erinner' ich mich auch, in die Früh' mit die Ski runterg'fahrn, wo mer scho e bissje älter war'n, um unten dann zum Bus zu kommen. Und wenn's sehr geschneit hat un wenn wirklich gar nix mehr ging mit'm Auto. Ja, ich glaube, des hat jetzt unsere Skikarriere nicht so gefördert wie bei der Annemarie, aber, natürlich, mein Vater hat uns Skifahr'n sehr gut gelernt. Des war ein guter Skilehrer, der auch sehr, sehr, sehr vielen Leuten und Gästen sehr viel Spaß vermittelt hat und die immer wieder gekommen sin un die auch sogar aus'm fernen Hannover noch die besten Skilehrer wurden, auch Sportphilologen und die halt Sportstudenten war'n, die ham bei meim Vater 's Skifahr'n gelernt. Und dann hatte auch meine Schwester, die Heidi, die Skischule g'habt, die is ja auch Skirennen g'fahrn, vor mir, Squaw Valley un Innsbruck '64 bei diesen Olympischen Spielen war die Heidi dabei, un da hatten wir als Kinder natürlich des schon im Fernseh'n alles mitbekommen. Mitunter, da hat mer gedacht, na, des is ja herrlich! Damals, 1960, mit der viermotorigen Maschine nach Amerika fliegen! Und des hatte meine Schwester da dürfen, net, Olympische Spiele in Squaw Valley, des war natürlich für uns a Traum, für uns Kinder. Heidi, was bringst uns mit? Un sie hat uns auch immer von vielen, vielen Rennen irgendwas mitg'bracht. Des war natürlich schon unser großes Vorbild, für die Evi, meine jüngere Schwester, und für mich natürlich.

 

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OHNE SIEGESWILLE ZUM SIEG
- Interview mit Rosi Mittermaier zu ihrer Skikarriere
 (nur für diese Webseite)

Sie ist nicht ehrgeizig, und sie war überhaupt nicht enttäuscht, als sie bei den Olympischen Winterspielen von Innsbruck im Riesenslalom "nur" Silber gewann. Freundschaften bedeuteten ihr mehr als Siege um jeden Preis. Dies sagt die "Gold-Rosi" über sich selbst. Sympathische Ansichten einer Sport-Ikone. Im dritten Teil meines Interviews erzählt sie von ihrer sportlichen Karriere, von den Geheimnissen ihres Erfolges im Super-Jahr 1976, vom Riesen-Hype um ihre Person und wie es dann weiterging nach dem Rücktritt vom Leistungssport. Manche ihrer Aussagen regen zum Schmunzeln, andere zum Nachdenken an. Hörenswerte 10 Minuten – so viel kann ich versprechen ...

Rosi Mittermaier, 70 Jahre jung, in ihrem Haus in Garmisch

[zum Anhören klicken: Interview mit Rosi Mittermaier, Teil 3]

 

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Hinweis:

Nur gut zwei Jahre nach meinem Besuch bei Rosi Mittermaier in Garmisch ist sie am 4. Januar 2023 im Alter von 72 Jahren verstorben. Eine große deutsche Sportlerin – vielleicht die populärste aller Zeiten – ist damit viel zu früh von uns gegangen. Liebe Rosi, ruhe in Frieden!

 

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Noch ein Hinweis:

Alle Fotos bis auf das Winterbild mit freundlicher Genehmigung des Hotels "Sonnenalm"

 

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