Elm und Umgebung 5

WO DER SCHALKSNARR QUICKLEBENDIG IST
- Eulenspiegeleien in Schöppenstedt

Mit seinen Streichen bringt er Groß und Klein zum Lachen. Den Schalksnarren Till Eulenspiegel kennt jedes Kind – und das rund um den Globus, denn seine lustige Biographie wurde in alle wichtigen Sprachen der Welt übersetzt. Dabei ist nicht mal erwiesen, dass er je gelebt hat. Alles, was man über ihn weiß, stammt aus einem deutschen Volksbuch des frühen 16. Jahrhunderts, das dem Braunschweiger Amtsvogt Hermann Bote zugeschrieben wird. Darin heißt es, Eulenspiegel sei im Jahre 1300 in Kneitlingen am Elm geboren und 1350 im holsteinischen Mölln gestorben. Auf diese Quelle beruft sich auch das Eulenspiegel-Museum in der Kleinstadt Schöppenstedt, zu deren Samtgemeinde das Dorf Kneitlingen heute gehört. In Wort, Bild und Ton wurde alles Wissenswerte über den Schelm vom Elm zusammengetragen. Hier im Museum jedenfalls ist er quicklebendig – und bei all seinen Eulenspiegeleien bleibt kein Auge trocken.

Reportage (rbb-INFOradio, 10.10.2009; Kurzfassung in Radio hr4, 03.10.2009):

[Musik: "Till Eulenspiegels lustige Streiche" von Richard Strauss]

"Till Eulenspiegels lustige Streiche" – die sinfonische Dichtung von Richard Strauss erklingt auch im Schöppenstedter Museum. Untermalt von den heiteren Klängen, macht uns Alice Bauch mit dem Schelm vom Elm bekannt. Schon als Dreikäsehoch, erzählt sie, habe Eulenspiegel den Schalk im Nacken gehabt, sodass sich die Nachbarn bei Tills Vater beschwerten.

(O-Ton Alice Bauch:)
"Der Vater wollte ergründen, warum das so war, ritt mit seinem Sohn durch Kneitlingen, setzte ihn hinter sich aufs Pferd, und Eulenspiegel hat also jedes Mal, wenn er merkte, von hinten kommt jemand, seinen Rock angelüpft und hat den Leuten den blanken Hintern gezeigt. Worauf die sich natürlich wieder beschwert haben. Der Vater hat ihn genommen, kurzerhand nach vorne gesetzt, hat aber auch, weil er viel größer war als Eulenspiegel, nicht mitbekommen, immer wenn jemand entgegenkam, hat er angefangen mit den Ohren zu wackeln, hat die Zunge rausgestreckt oder 'ne lange Nase gemacht, und schon wieder haben sich natürlich die Leute beschwert über ihn."

Museumsführerin Alice Bauch kennt sie alle, die lustigen Eulenspiegeleien. Viele haben sich in unmittelbarer Nähe seines Heimatdorfes zugetragen. So auch die wohl berühmteste – den Streich, den er einem Bäckermeister in Braunschweig gespielt hat.

Till als Dreikäsehoch zu Pferd
Eulen und Meerkatzen
Alice Bauch enthüllt Bild

[zum Anhören klicken: O-Ton Museumsführerin Alice Bauch]

"Als er ganz normal gefragt hat: 'Meister, was soll ich denn backen?', hat der Meister geantwortet: 'Na, meinetwegen, Eulen und Meerkatzen.' Und das hat er sofort in die Tat umgesetzt und hat auch die ganze Nacht Eulen und Meerkatzen gebacken. Der Meister hat ihn morgens bestraft, und er musste die ganze Ware bezahlen. Da war er aber wieder so pfiffig zu sagen: 'Dann gehört die Ware mir.' Und der Meister hat sie ihm überlassen, weil er dachte, was will der damit. Er hatte aber vergessen, es war Markttag und es war kurz vor Nikolaus. Und Eulenspiegel ist also auf den Markt gegangen und hat seine Ware feilgeboten und wurde sie im wahrsten Sinne des Wortes los wie warme Semmeln."

Eine für Eulenspiegel typische Geschichte, denn nach dem gleichen Muster hat er viele seiner Streiche gespielt.

[O-Ton Alice Bauch:]
"Er war zwar nicht superklug, aber eben sehr gewitzt und wortgewandt und hat eben versucht jeden Auftrag, den man ihm gegeben hat, wortwörtlich umzusetzen."

Auf diese Weise hielt er immer wieder den Wichtigtuern und Oberschlauen seinen Spiegel vor, um ihnen zu zeigen, wie dumm sie in Wirklichkeit waren. Auch vor den Reichen und Mächtigen seiner Zeit machte er nicht Halt:

[O-Ton Alice Bauch:]
"Eulenspiegel kam eines Tages an einen Hof und gaukelte vor, er wäre in der Lage, den Regenten und seinen Hofstaat zu malen. Und vor der Enthüllung des Bildes sagte er: 'Dies ist ein ganz besonderes Bild. Es kann nur derjenige was darauf erkennen, der ehelich geboren ist.' Er zog den Vorhang zur Seite und es war nichts zu sehen, aber alle haben sich darauf erkannt, wie wunderbar sie getroffen waren."

Mit solchen Tricks ergaunerte er auch manches Goldstück und musste danach meist sein Heil in der Flucht suchen. So zog er als Vagabund durchs Leben und kam dabei weit über den heimatlichen Elm hinaus: bis nach Dänemark, nach Polen und sogar zum Papst in Rom führte ihn seine Wanderschaft. Dabei hat er – anders als in vielen bildlichen Darstellungen – weder Gauklerkostüm noch Narrenkappe getragen.

Eulenspiegel mit Narrenkappe
Eulenspiegel als Kinderbuch
"Huß der Reinigkeit"

[O-Ton Alice Bauch:]
"Nein, das hat er nicht. Dann hätte ja jeder gleich gewusst, was er im Schilde führt. Er war ganz normal gekleidet, wie ein normaler Bauer damals gekleidet war. So ist auch er durchs Leben gegangen. So dargestellt, mit der Narrenkappe, wird er erst seit dem 18./19. Jahrhundert, wo man ihn als Kinderbuchhelden entdeckt hat."

Das alte Volksbuch aus dem 16. Jahrhundert dagegen ist als Lektüre für Kinder nur bedingt geeignet. Denn Eulenspiegel trieb auch sehr derbe und politsch unkorrekte Späße: mit armen Teufeln, Todkranken, Blinden oder mit Juden. Zudem spielten Fäkalien häufig eine ebenso unrühmliche wie unappetitliche Rolle.

 

[zum Anhören klicken: O-Ton Alice Bauch]

"Es gab also früher schon etwas, was wir heute in ähnlicher Form auch haben – und zwar so genannte Schwitzhäuser. Da hatten Leute die Möglichkeit, sich mal richtig sauber zu schwitzen. Und in Hannover war jemand, der nannte das Ganze Huß der Reinigkeit. Das ärgerte Eulenspiegel natürlich und er ging in die Badestube, zog seine Hosen runter und setzte mitten in die Badestube einen großen Haufen. Als der Besitzer ihn zur Rede stellte, sagte Eulenspiegel: 'Ich weiß gar nicht, was du willst, ich denke, dies ist das Huß der Reinigkeit, und das ist die Reinigung von innen. Die gehört für mich dazu.'"

So wird im Eulenspiegel-Museum mancher Mythos zerstört und manches Vorurteil aufgeklärt. Nur eines kann auch Alice Bauch nicht mit letzter Sicherheit beantworten: ob der Schelm vom Elm wirklich gelebt hat. Doch sie geht sehr pragmatisch mit der Frage um.

[O-Ton Alice Bauch:]
"Also, rein wissenschaftlich kann man es nicht beweisen, weil darüber keine Unterlagen existieren, aber natürlich die Möllner und auch die Schöppenstedter glauben dran, sonst bräuchten wir für Eulenspiegel kein Museum."

[Musik: "Till Eulenspiegels lustige Streiche" von Richard Strauss]

 

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WEM DIE STUNDE SCHLÄGT
- das Eulenspiegel-Glockenspiel in Braunschweig

In Braunschweig hat Till Eulenspiegel nicht nur Eulen und Meerkatzen gebacken, sondern noch weitere Streiche verübt. So auch an einem Stiefelmacher, der zunächst selbst versucht hatte, den berühmten Schalk in dessen ureigenster Art hereinzulegen: Eulenspiegel wollte von dem Schuster die Stiefel "gespickt", d.h. geschmiert, haben. Von seinem Gesellen angestiftet, nahm der Meister den Auftrag wörtlich und spickte die Stiefel wie einen Braten. Als Eulenspiegel seine Schuhe abholte, lobte er den Meister zum Schein für die gute Arbeit, doch beim Verlassen der Werkstatt zerschlug er ihm die Fensterscheiben. Ein guter Verlierer war er nie, der "Schelm vom Elm". Und am Ende erging es dem vorwitzigen Schustergesellen wie normalerweise Eulenspiegel selbst. Sein Meister warf ihn hinaus, und er musste sich andernorts eine neue Stellung suchen.
Im Giebel des Gebäudes am Braunschweiger Kornmarkt jedenfalls, wo einst die Stiefelmacher-Werkstatt gewesen sein soll, erinnert heute ein Glockenspiel an Till Eulenspiegel. Dreimal täglich erklingt die folgende Melodie:

[zum Anhören klicken: Eulenspiegel-Glockenspiel]

 

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