Flensburger Förde 2

FASZINATION AUF LANDRATTEN
- das nostalgische Flair im Flensburger Hafen

Die wichtigste Stadt an der Flensburger Förde ist natürlich Flensburg selbst. Wer dort hinreist, kann den bekannten Klischees nachjagen – im Kraftfahrt-Bundesamt sein Punktekonto abfragen oder es bei einer Führung durch die Flensburger Brauerei mal so richtig "ploppen" lassen [siehe unten]. Den ersten Sexshop der Welt von Beate Uhse allerdings, den gibt es nicht mehr. Aber Flensburg hat ja noch andere Attraktionen. Und ganz vorne mit dabei ist der schöne Hafen am schmalen Ende der Förde. Seine wirtschaftliche Bedeutung hat er zwar längst verloren, denn für große Frachtschiffe ist er nicht tief genug, und Industrie gibt es in der Region kaum. Dafür ist seine touristische Bedeutung heute umso größer. Schnittige Yachten lassen Urlaubsgefühle aufkommen. Alte Segelschiffe und ein echtes Dampfschiff verleihen dem Hafen ein nostalgisches Flair, das zum gemütlichen Flanieren einlädt und speziell auf Landratten eine faszinierende Wirkung ausübt.

Reportage (Radio SWR4 RP, 22.10.2017):

[zum Anhören klicken: Nebelhorn der "Alexandra"]

Mit lautem Tuten läuft die "Alexandra" in den Flensburger Hafen ein. Der mehr als hundert Jahre alte Salondampfer ist das schwimmende Wahrzeichen der Stadt und das letzte erhaltene Dampfschiff auf der Förde. Es wurde eingesetzt für Flüchtlingstransporte im 2. Weltkrieg und als Regatta-Begleitboot bei Olympia 1972 in Kiel. Dass die alte Dame auch heute noch unter Volldampf steht, ist fast schon ein Wunder, meint Gästeführer Knut Franck:

[O-Ton Knut Franck:]
"Jetzt hat der Kessel seinen Dienst aufgegeben gehabt, und sie musste einen neuen Kessel bekommen. Das war sehr mühsam, denn der Kessel war noch genietet, und Niettechnik beherrscht heute niemand mehr. Das war dann mühsam, weil man sehr viel von den Aufbauten wegnehmen musste, um der 'Alexandra' einen neuen Kessel zu verpassen, den sie jetzt auch hat."

Ihr Anlegeplatz ist gesäumt von Segelschiffen. Manche davon haben auch schon einige Jährchen auf dem Buckel. So wie die "Dagmar Aaen": Sie wurde 1931 als Haifischkutter gebaut. Heute dient sie ganz anderen Zwecken, denn sie gehört inzwischen Arved Fuchs.

"Alexandra" läuft in den Hafen ein
Dampfer "Alexandra" mit neuem Kessel
Segelschiff "Dagmar Aaen"

[O-Ton Knut Franck:]
"Einem Polarforscher, der mit diesem Schiff schon mehrfach im Nordpolarmeer und im Südpolarmeer war, auch versucht hat an der Nordküste von Russland die West-Ost-Passage zu durchfahren, dann im Packeis auch gefangen lag, und dieses Schiff ist so konstruiert, dass es dem Eisdruck standhält. Wenn das Eis an der Seite drückt, wird das Schiff nach oben gehoben. Das hat also keinen so tiefen Kiel, sondern relativ rund, damit es nicht zerdrückt wird."

Die "Dagmar Aaen" liegt gleich neben der Museumswerft, wo Besucher beobachten können, wie alte Schiffe und Boote von ehrenamtlichen Mitarbeitern wieder flott gemacht werden. Der Eintritt kostet nur einen Euro. Da reicht die Urlaubskasse vielleicht auch noch für ein leckeres Frischbrötchen. Das gibt’s in einer eher unscheinbaren Bude an der Werft und gilt als bestes in ganz Flensburg:

Museumswerft
"Leckerste Fischbrötchen der Stadt"
Hafen-Flair wirken lassen

[zum Anhören klicken: O-Ton Knut Franck]

"Es ist erstens sehr gut belegt. Das Fischbrötchen ist knackig, und wenn man das Fischbrötchen bekommt, ist es ganz frisch. Und es ist nicht durchgesotten durch den Heringssaft oder andere hässliche Beilagen. Sie sehen schon, wie es den Leuten schmeckt."

[Umfrage:]
"Mhmhm. Ist sehr gut."
"Ist zwar schlecht mit vollem Mund, aber das ist richtig."
"Schmeckt hervorragend."
"Deswegen sind wir extra noch mal hierher gekommen."

Mit dem Imbiss in der Hand am besten auf eine Bank setzen, das Hafen-Flair auf sich wirken lassen und danach vielleicht mit der "Alexandra" über die Förde dampfen. Ja, ich glaube, das ist eine gute Idee.

[Atmo: Nebelhorn der "Alexandra"]

 

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EINE BUDDEL VOLL RUM
- Flensburgs ru(h)mreiche Vergangenheit

Der Flensburger Hafen hat, wie gesagt, seine wirtschaftliche Bedeutung schon lange eingebüßt. Aber früher einmal war er der bedeutendste Ostseehafen Dänemarks [jawohl, Dänemarks – zur wechselvollen Geschichte Schleswig-Holsteins siehe unter Flensburger Förde 3]. Hier liefen die Schiffe ein, die von den dänischen Jungferninseln (1917 an die USA verkauft) St. Thomas, St. John und St. Croix in der Karibik zurückkamen. An Bord hatten sie Kolonialwaren, vor allem Rohrzucker, aber auch Eichenfässer mit hochprozentigem Rum. Der wurde dann in Flensburg verschnitten und verkauft.
"Der Begriff Verschnitt klingt erstmal negativ, ist es aber nicht", sagt Gästeführer und Rum-Liebhaber Knut Franck. "Verschneiden bedeutet, dass ich den Rum mit anderem Alkohol mischen darf, also mit Kartoffelschnaps oder mit Getreideschnaps. Ansonsten muss ich den Rum – und das ist die Kunst der Flensburger gewesen – so trinkbar machen, dass er gut schmeckt. Dafür braucht man sehr unterschiedliche Rumarten und -sorten: sehr alten Rum, sehr jungen Rum, mit unterschiedlichen Aromen. Die Rumherstellung ist mindestens genauso kompliziert wie die Weinproduktion. Hängt also vom Klima, von den Bodenverhältnissen und natürlich von der Geschmacksrichtung ab. Das haben die Flensburger wirklich gut geschafft und haben dann Flensburg zur Rumstadt gemacht."

Mit Alkohol kannten sie sich aus. Schon vorher wurde in Flensburg aus Korn Aquavit hergestellt. Die bekannteste Marke ist "Bommerlunder". Sie kommt allerdings seit dem Jahr 2000 aus Haselünne in Niedersachsen.
Außerdem haben die Flensburger Wein aus Frankreich importiert und zu Weinbrand verarbeitet: "Einer der Hauptabnehmer waren die Norweger", berichtet Knut Franck weiter, "die ja nichts haben, woraus sie Alkohol brennen können. Die haben nur Stockfisch. Das ist manchmal notwendig, dass man die Geschmacksnerven lähmt mit Alkohol. Also, da haben die Flensburger gute Geschäfte gemacht."
In der Blütezeit (18./19. Jahrhundert) gab es mehr als 200 Rumhäuser in der Stadt. Auch die bekannte Marke "Der gute Pott" kam ursprünglich aus Flensburg. Im Laufe der Zeit setzte eine wirtschaftliche Konzentration ein – große Unternehmen schluckten kleine und wurden dann selbst von noch größeren geschluckt. Heute sind nur noch zwei Rumhäuser übriggeblieben. Eines davon die Hökerei Johannsen (ehemals Hökerei Christensen) in der Marienstraße. Also ausgerechnet ein kleines Unternehmen, wie der plattdeutsche Name (Höker = kleiner Händler) schon sagt. Es sicherte sein Überleben, indem es Dorfläden und Gaststätten der Umgebung beschickte. Die Hökerei Johannsen ist jetzt das älteste noch bestehende Rumhaus in Flensburg und hat auch einen eigenen Laden, in dem sich nicht nur Freunde des Zuckerschnapses, sondern auch Freunde des Aquavits mit Hochprozentigem eindecken können.

Neueren Datums ist dagegen das Wein- und Rumhaus Braasch in der Roten Straße. Der Inhaber Walter Braasch hat noch in einem der großen Rumhäuser gelernt und seinen Destillationsmeister gemacht. Er wollte eine eigene Rumlinie kreieren mit echtem Rum, also keinen Verschnitt. Trotzdem nimmt er verschiedene Sorten, die er in Jamaika einkauft oder in der europäischen Rumzentrale Amsterdam, und mischt sie. "Blend" nennt man das dann in der Fachsprache. Klingt besser als Verschnitt und rechtfertigt, wenn er gut gemacht ist, sogar einen höheren Preis. "Die Kunst des Chefs ist", meint Gästeführer Franck, "ein geschmackvolles Produkt hinzukriegen, das auch morgen oder übermorgen noch so schmeckt wie heute."
Wie in den alten Zeiten jedenfalls werde quasi Roh-Rum nach Flensburg geholt und hier veredelt bzw. "zu etwas Trinkbarem gemacht", wie Knut Franck es ausdrückt.
Rum sei übrigens die meistgetrunkene Alkoholart der Welt, weil er in vielen Mixgetränken enthalten ist. Vom Mixen hält Knut Franck allerdings gar nichts, und er trauert der ru(h)mreichen Vergangenheit Flensburgs ein wenig nach:

[zum Anhören klicken: O-Ton Knut Franck]

"Der Flensburger Rum war eben etwas Besonderes, und es spielte dann auch immer eine Rolle, ob man billigen Rum kauft, ob man ihn nur für Rum-Cola verwendet, oder ob man – wie die Flensburger empfehlen – den Rum trinkt wie Kognak, also nicht als Gesöff, sonders als Kulturgut, wenn man so will, also als edles Getränk, das man nicht runterschüttet, auch nicht unbedingt mixt, sondern eben ganz locker genießt, Aroma enwickeln lässt, langsam im Mund die Geschmacksnerven anreizt und dann langsam runtertrinkt. Das ist eigentlich das Ziel, was man heute gerne möchte – weg von diesem Image, dass es so billiger Kram ist."

Aber bitte mit Vorsicht genießen! Eine Buddel voll Rum enthält 40, 50, teilweise sogar 80 Prozent Alkohol. Danach bitte nicht mehr ans Steuer setzen, sonst sind schnell ein paar Punkte in Flensburg fällig [siehe unter Flensburger Förde 1]. Das gilt übrigens auch für das nächste Thema, das Flensburger Bier ...

 

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DAS BIER MIT DEM "PLOPP"
- zu Besuch in der Flensburger Brauerei

Es mag ein Klischee sein, aber eine Brauereibesichtigung sollte bei einem Besuch Flensburgs nicht fehlen, denn das "Flensburger Pilsener" gehört nun mal zur Stadt wie der Rum und die Förde.
Von Montag bis Samstag werden Führungen angeboten, und die sind so beliebt, dass die Brauerei empfiehlt, sich mindestens vier Wochen vorher anzumelden. Im Preis inbegriffen ist eine Verkostung, bei der das berühmte "Plopp" gebührend zelebriert wird.
Aber erst einmal steht ein ca. einstündiger Rundgang durch die Brauerei auf dem Programm. Da erfahren die Besucher, wie aus Gerste, Hopfen und Wasser Bier hergestellt wird. Die Gerste für das Flensburger Gebräu stammt übrigens zu einem Viertel aus der Region, der Hopfen kommt aus der bayerischen Hallertau, und das Wasser wird aus eigenen Brunnen entnommen. Es sei besonders natriumarm, sagt Brauereiführerin Lena Zacharias, und so rein, dass es sogar für Babynahrung geeignet wäre.
Aus den genannten Zutaten wird nicht nur das klassische "Flensburger Pilsener" gebraut, sondern 15 weitere Sorten, darunter exotische wie "BrauArt Dark Amber" oder "Fassbrause Rhabarber-Erdbeer".

Höhepunkt der Brauereibesichtigung ist zweifellos die "größte, modernste und schnellste" Abfüllanlage der Welt für Bügelverschlussflaschen. Darauf sei die Brauerei sehr stolz, meint Lena Zacharias. Die Anlage wurde 2017 installiert, sie hat 25 Millionen Euro gekostet und kann bis zu 40.000 Flaschen pro Stunde abfüllen. Daneben gibt es noch drei ältere Anlagen, die zusammen 33.000 Flaschen befüllen.

Abgefüllt werden in der Flensburger Brauerei übrigens nicht nur die eigenen 16 Biersorten, sondern auch der "Bölkstoff" – bekannt geworden durch die "Werner"-Comics von Brösel alias Rötger Feldmann. Ursprünglich zechten Werner und seine Kumpels "Flensburger Pilsener" und machten den "Plopp" zum Kult. Dann wollte Brösel laut wikipedia.de selber "Bölkstoff" brauen und legte sich mit der Flensburger Brauerei an. Es kam zum Rechtsstreit, der inzwischen aber beigelegt wurde. Heute ist "Bölkstoff" eine eigene Marke, die von der Flensburger Brauerei abgefüllt und vertrieben wird.
Wie sehr die Comic-Figur Werner das Bier mit dem "Plopp" bundesweit bekannt gemacht hat, lässt sich schwer nachweisen. An den Absatzzahlen vorher und nachher habe man es jedoch kaum feststellen können, behauptet unsere Brauereiführerin. Pressesprecherin Sara Sausmikat-Theilen hingegen gesteht zumindest ein, dass Werner der Brauerei "gutgetan" hat. Ob allerdings das "Flens" durch Werner bekannt wurde oder Werner durch das "Flens" – in dieser Frage will auch sie sich nicht festlegen.
Da redet sie schon lieber über den "Plopp", d.h. über den charakteristischen Bügelverschluss der Flensburger Biere. In den 1970er Jahren haben die allermeisten Brauereien in Deutschland auf Kronkorken umgerüstet. Damals stand auch die Flensburger Brauerei vor der schwierigen Entscheidung, ob sie sich dem Trend anschließen sollte oder nicht. Vor allem Kostengründe führten dazu, dass man beim bewährten Bügelverschluss blieb.
Die Entscheidung stellte sich im Nachhinein als goldrichtig heraus. Denn ob nun durch die "Werner"-Comics populär geworden oder nicht – der Bügelverschluss brachte der Flensburger Brauerei ein Alleinstellungsmerkmal und erlangte Kultstatus. Sodass längst andere deutsche Brauereien auf den Zug aufgesprungen sind und selbst wieder Biere mit Bügelverschluss auf den Markt gebracht haben. Sara Sausmikat-Theilen kann das gut verstehen:

[zum Anhören klicken: O-Ton Sara Sausmikat-Theilen]

"Es gibt kein schöneres Merkmal, als wenn man eine Marke inszenieren kann, und das 'Plopp' ist nun ein live hörbarer Moment, der auch noch Spaß macht, wenn man in Trinklaune ist, und insofern stützt es die Marke sehr stark. Jedes 'Plopp' zahlt auf uns ein, also jeder, der jetzt 'ploppt', verbindet es in erster Linie mit dem Flensburger, und das ist natürlich schön für uns."

Nachdem jetzt so viel über das "Ploppen" geredet wurde, wollen wir es zu guter Letzt endlich in die Tat umsetzen. Am Ende der Brauereibesichtigung wird die ganze Gruppe in einen Schankraum geführt, wo jeder Teilnehmer selbst sein "Flens" nach Wahl probieren kann – sei es nun ein klassisches Pilsener, ein Weizen, ein Bock, ein Radler oder eine der anderen Sorten. Auf Kommando öffnen alle gleichzeitig den Bügelverschluss, und das klingt dann so:

[zum Anhören klicken: Atmo "plopp"]

 

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Video:
Abfüllanlage in der Flensburger Brauerei

 

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Hier geht's weiter zum Schloss Glücksburg und der Reportage "Flensburger Förde 3".