Opalküste 3


WO PRÄSIDENT MACRON DIE FERIEN VERBRINGT
- das mondäne Seebad Le Touquet-Paris-Plage

Und weiter geht die Reise südwärts nach Le Touquet-Paris-Plage. Der Name ist Programm. Der Ort wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts gegründet, als es bei den Reichen und Schönen von Paris immer mehr in Mode kam, den Sommer am Meer zu verbringen. Aber nicht nur den französischen Hauptstädtern hatte es der schier endlose Sandstrand dort angetan, auch reiche Engländer kamen in großer Zahl, ließen sich sündhaft teure Villen erbauen und eröffneten das erste Casino, wo sie Unmengen an Geld verspielten. Heute ist Le Touquet längst nicht mehr nur ein Ferienort für die Oberen Zehntausend, aber die Prominenz gibt sich immer noch ein Stelldichein – allen voran Frankreichs Staatspräsident Macron. Es ist also viel los im mondänsten Seebad der Opalküste. Und viel zu sehen, auch aus der Vogelperspektive ...

              

Reportage (Radio SWR4 RP, 19.06.2022):

[Atmo: Treppensteigen]

Uff! 260 Stufen geht es hinauf zum Leuchtturm von Le Touquet. Er steht auf einer Anhöhe oberhalb der Stadt. Ein wenig Kondition verlangt er schon ab, doch oben angekommen, entschädigt eine phänomenale Aussicht:

[O-Töne Touristinnen:]
"Unschlagbar. Es ist zwar erschöpfend, aber dafür sieht man über das weite Meer bis an den Horizont, den Strand, die Dünen, bis an die Mündung von der Canche und dieses wunderschöne Städtchen vor uns."
"Gigantisch. Man sieht das glitzernde Meer und den kleinen Ort mit den pittoresken Türmchen an den Häusern. Sehr schön."

Direkt zu Füßen des Leuchtturms erkennen wir das Hotel Westminster. Es ist im Art-Déco-Stil des späten 19. Jahrhunderts erbaut und damals wie heute das erste Haus am Platz. Die Gästeliste weist seit jeher viele berühmte Namen auf, erzählt unser Stadtführer Lucas Roseuw:

[O-Ton Lucas Roseuw:]
"Au sujet des célébrités …
Was die Prominenten angeht, die im Hotel Westminster abstiegen, war auch Ian Fleming, der geistige Vater von James Bond. In Le Touquet hatte er die Idee zu seinem ersten Bond-Roman "Casino Royale". Und es gibt hier ein Zimmer 007, wo Sean Connery seinen ersten Vertrag für die berühmte Rolle unterzeichnet hat.
… le fameux personnage."

Hotel Westminster
Ausblick vom Leuchtturm
Mondäne Villen

In fußläufiger Umgebung des Hotels Westminster klappern wir eine Villa nach der andern ab. Art-Deco, Jugendstil, Neo-Gotik, Neo-Klassizismus – fast alle Stilrichtungen der Epoche sind vertreten. Eine Villa aus roten Klinkersteinen sieht gar nicht mal sooo vornehm aus. Dennoch gehört sie zu den meistfotografierten. Das liegt an ihren berühmten Bewohnern.

[O-Ton Lucas Roseuw auf Französisch:]

[O-Ton Lucas Roseuw:]
"Juste ici, la villa Monéjan …
Wir stehen hier vor der Villa Monéjan, der Villa unseres Präsidenten Macron. Da wohnt er mit seiner Frau Brigitte. Eigentlich gehört das Haus ihr. Es ist ein Familienerbstück. Er kommt regelmäßig nach Le Touquet, weil er hier auch wählt. Deshalb war er zur Präsidentenwahl da und kommt wieder zur Parlamentswahl.
… pour les élections législatives."

Auch in den Restaurants von Le Touquet-Paris-Plage kann man ihn ab und zu antreffen, meint Lucas. Das ist ein gutes Stichwort. Denn so ein Stadtrundgang macht hungrig. Und wer weiß? Vielleicht begegnen wir ja beim Essen Emmanuel Macron ...

 

__________________________________________________

LIEBESGRÜSSE NACH PARIS
- der Eiffelturm von Le Touquet

Er steht unübersehbar mitten auf der Promenade; wenn man durch die Fußgängerzone in der Rue St. Jean Richtung Strand geht, kann man ihn gar nicht verfehlen – den Eiffelturm von Le Touquet-Paris-Plage. Er ist zwar nur knapp 10 m hoch und damit deutlich kleiner als das Original in der Hauptstadt. Er besteht auch nicht aus Stahl, sondern aus Sand, aber er sieht dem echten Eiffelturm verdammt ähnlich.
Das neue Wahrzeichen des Seebads an der Opalküste ist ein Werk des Künstlers Alain Godon. Er hat damit eine Liebeserklärung an seine Wahlheimat abgegeben und seine ganz speziellen "Liebesgrüße" nach Paris geschickt. Dem Projekt vorausgegangen war nämlich ein, wie er fand, peinlicher Namensstreit. Obwohl Le Touquet seit mehr als hundert Jahren den Beinamen Paris-Plage trug, passte das plötzlich einigen Herrschaften in der Seine-Metropole nicht mehr in den Kram, und sie forderten die Gemeinde am Ärmelkanal auf, den Beinamen nicht mehr zu verwenden. Quasi als Retourkutsche wollte Godon "etwas aus der Hauptstadt" nach Le Touquet holen.
Der angesehene Maler und Bildhauer, 1964 im zentralfranzösischen Bourges geboren, hatte seine Karriere mit Graffiti-Zeichnungen begonnen, später als Pflastermaler in England gelebt und sich 1992 in dem mondänen Seebad niedergelassen. Längst malte er auch in Öl. Seine Bilder im selbst kreierten "kindlichen Stil" wurden bei Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt, darunter auch in den USA. Mit seiner Idee, den Eiffelturm aus Sand nachzubauen, um es den Parisern mal so richtig zu zeigen, stieß er sofort auf offene Ohren. Der Gemeinde Le Touquet-Paris-Plage war das Projekt immerhin die Kleinigkeit von 100.000 Euro wert. Sie fand, das "Geschenk" des Künstlers würde ihren Feierlichkeiten zum 105-jährigen Bestehen den nötigen Glanz verleihen.
Ganz so einfach war die Umsetzung aber nicht. Weil ein Turm aus gewöhnlichem Sand den nächsten Regenschauer kaum schadlos überstanden hätte, musste sich Alain Godon etwas einfallen lassen: Er mischte seinen Grundbaustoff mit Harz und dem Kunststoff Polystyren. Das brachte die nötige Stabilität. Und so steht "La tour Eiffel Godon" seit 2011 da wie eine Eins, unübersehbar an zentraler Stelle der Strandpromenade – ein Sand gewordener Liebesgruß nach Paris.

Eiffelturm aus Sand in Le Touquet-Paris-Plage

 

__________________________________________________

MASSENSPEKTAKEL IM SAND
- das Motorradrennen Enduropale

Die Franzosen sind eine zweiradbegeisterte Nation. Das sieht man jeden Sommer bei der Tour de France, wenn Hunderttausende an der Strecke stehen und den Radsportlern zujubeln. Aber sie lieben auch den motorisierten Zweiradsport. Das wird alljährlich im Winter deutlich, wenn rund 300.000 Menschen nach Le Touquet-Paris-Plage pilgern, um das legendäre Motorradrennen "Enduropale" live zu erleben. Im Februar 2022 kamen sogar 500.000 Zuschauer! Es ist das größte Enduro-Rennen Europas und das längste der Welt auf Sand. Ein Massenspektakel – nicht nur was das Publikum, sondern auch was die Teilnehmer angeht. Mehr als tausend Enduristen gehen an den Start. Drei Stunden lang sind sie auf dem 13 Kilometer langen Rundkurs unterwegs. Er führt von Le Touquet bis in die Nachbarorte Stella Plage und Merlimont Plage. Mit Wellen, Serpentinen und engen Kurven verlangt die Strecke den Teilnehmern und Teilnehmerinnen (!) alles ab. Nur die Besten kommen durch und schaffen bis zu 14 Runden in der vorgegebenen Zeit.
Das Rennen hat eine lange Tradition. 1975 fand es zum ersten Mal statt, allerdings noch unter dem Namen "Enduro du Touquet". Auch der Modus wurde mehrfach geändert. So verlief der Kurs bis 2005 durch die Dünen. Damals mussten die Fahrer noch härtere Strapazen ertragen; viele gaben nach Stürzen oder Getriebeschäden vorzeitig auf. Dann wurde das Rennen zum Schutze der Umwelt auf den Strand verlegt. Aber immer noch trennt der Kurs die Spreu vom Weizen.
Obwohl Top-Enduristen aus 20 Nationen und mehr am Start sind, gewinnt am Ende fast immer ein Franzose. Zuletzt hieß der Sieger Milko Potisek, gebürtig aus Dünkirchen und damit fast so etwas wie ein Lokalmatador. Der Mann von der Opalküste stand auch schon 2020 und 2018 ganz oben auf dem Treppchen. In diesem Jahrtausend trugen sich überhaupt erst dreimal Fahrer aus anderen Nationen in die Siegerliste ein – zwei Belgier und ein Brite. Nur in der Konstrukteurswertung hatte mal Schwarz-rot-gold die Nase vorn: die schwäbische Firma Maico, anno 1976. Lang, lang ist's her ...

Motorradrennen Enduropale

 

__________________________________________________

Hier geht's weiter zur Reportage Opalküste 4 und zu Victor Hugos Montreuil-sur-Mer