Usedom 3


PEENEMÜNDE
- die geheime Wiege der Raumfahrt

Der weltweit bekannteste Ort auf Usedom ist Peenemünde. Allerdings hat er seinen Ruhm auf eher unrühmliche Art erlangt. Hier nämlich entwickelten deutsche Forscher im Zweiten Weltkrieg den ersten Marschflugkörper (von der NS-Propaganda "V 1" genannt) und die erste Weltraumrakete ("V 2"). Mit diesen so genannten Vergeltungswaffen versuchten die Nazis den schon verlorenen Krieg doch noch zu gewinnen. Vergeblich, wie wir heute wissen.
In den streng geheimen Produktionsstätten schufteten Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Viele verloren dabei ihr Leben. Einige der Wissenschaftler aus Peenemünde allerdings setzten ihre Karrieren nach dem Krieg ungehindert fort. Sie traten in die Dienste des sowjetischen bzw. des amerikanischen Militärs. Allen voran Wernher von Braun, der maßgeblich an den Apollo-Missionen der NASA zum Mond beteiligt war.

In Peenemünde selbst findet man heute fast nur noch Ruinen. Ein Museum aber arbeitet die Geschichte auf. Und es will beides zeigen: Fluch und Segen der einstigen "Wunderwaffen"-Schmiede auf der Ostsee-Insel.

Reportage (Radio hr4, 09.05.2009; hr-iNFO, 06.06.2009):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

Es wirkt wüst und irgendwie trostlos. Ein paar alte Militärflugzeuge stehen herum, ein paar Raketenteile. Wer hier eine Art deutsche Version von Cape Canaveral erwartet hat, wird herb enttäuscht. Die ehemalige Heeresversuchsanstalt der Wehrmacht an der Mündung des Peenestroms wurde bei einem Bombenangriff 1944 fast völlig zerstört. Der Rest, erzählt Kai Hampel vom Historisch-technischen Informationszentrum, ging nach dem Krieg verloren.

[O-Ton Kai Hampel:]
"Das Kraftwerk ist heute das einzige große Gebäude, was noch steht von dieser einstigen Forschungsanlage. Alles andere wurde abgetragen. Aufgrund des Potsdamer Abkommens musste das also zerstört werden. Im Prinzip ist es nur noch dieses Kraftwerk. Im Ortskern gibt es noch die Ruine vom Sauerstoffwerk. Und dann haben wir auf dieser Denkmallandschaft von Peenemünde, gibt's also so'n Rundwanderweg zu ein paar authentischen Orten, zum Beispiel ein KZ von der Luftwaffe, da wurde eine Baracke freigelegt, die ehemalige Hauptwache wurde so'n bisschen freigelegt. Da kann man sich verschiedene authentische Orte auch angucken, aber von den wirklich großen Gebäuden sind wirklich nur noch diese beiden übrig."

Im Backsteinkoloss des ehemaligen Kraftwerks ist eine Dauerausstellung untergebracht. Hier wird in Wort, Bild und Ton die Geschichte der Raketenfabrik wieder lebendig. Ein historisches Filmdokument beispielsweise zeigt den ersten Start einer V2-Rakete im Oktober 1942. Der erste Flugkörper überhaupt, der bis ins All vordrang. Unstreitig eine technische Meisterleistung und Initialzündung für die Raumfahrt insgesamt. Aber die Macher des Museums betreiben keine Heroisierung, sondern zeigen auch die Kehrseite.

[O-Ton Kai Hampel:]
"Diese Technologie ist natürlich toll. Wenn man sie zivil nutzt, kann man tolle Sachen damit machen, aber dafür wurde sie ja hier nicht entwickelt. Das war eine rein militärische Entwicklung, und das war auch nur möglich, weil hier KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene ausgebeutet wurden, weil sie hier ihr Leben und ihre Gesundheit eingebüßt haben. Das sind immer diese zwei Seiten, die Ambivalenz, an der man nicht vorbeikommt, auch hier im Museum nicht. Das versuchen wir eben so darzustellen."

Alte Militärmaschinen
"V 2"-Start in Peenemünde
Wernher von Brauns Apollo-Mission

Eine der zentralen Figuren der Ausstellung ist der ehemalige technische Leiter der Heeresversuchsanstalt, Wernher von Braun. Als "Vater der V 2" hat er hier in Peenemünde begonnen, als "Vater der Mondlandung" wurde er Jahrzehnte später in den USA gefeiert. In einem Dokumentarfilm kommen auch Zeitzeugen zu Wort:

[Atmo-Ton Zeitzeuge:]
"Ich habe Professor von Braun in verschiedenen Fällen auf dem Prüfstand liegen und auch in anderen Fällen persönlich erlebt und würde ihn nach meiner subjektiven Darstellung als einen ausgesprochen faustischen Menschen charakterisieren..."

Ein geradezu fanatischer Wissenschaftler also, der seine Seele dem Teufel verkauft hat? Kai Hampel würde es so nicht ausdrücken. Für ihn war der Mensch von Braun ebenso ambivalent wie seine ganze Forschung:

[O-Ton Kai Hampel:]
"Er hat ja mal als junger Mensch davon geträumt zum Mond zu fliegen und hat dann aber als junger Mann sich vom Militär anwerben lassen und hat seine Militärraketen gebaut. Es gibt eine Biografie über ihn, die heißt Dreamer Of Space, Engineer Of War. Das trifft's eigentlich ganz gut. Wernher von Braun war ein Opportunist. Er hat also aus dem NS-Regime, aber später auch in den USA, seine Vorzüge gezogen, um seine Raketen bauen zu können. So kann man's vielleicht ganz grob mal umreißen."

In jedem Fall war er eine faszinierende Persönlichkeit. Und diese Faszination wirkt in Peenemünde bis heute nach. Nicht zuletzt wegen des weltberühmten Raketenforschers verirren sich zehntausende Besucher alljährlich in diesen nordwestlichsten Winkel der Ostsee-Insel. Auch wenn sie hier definitiv kein zweites Cape Canaveral vorfinden.

 

__________________________________________________

Hier geht's zur Neuen Pommerschen Küche und der Reportage Usedom 4.