Nordirland 3

DER DAMMBAU DES RIESEN
- Besuch der Basaltsäulen von Giant's Causeway

Viele alte Mythen und Sagen ranken sich um ihn: den Giant's Causeway an der rauen Nordküste von Nordirland. Dieser "Damm des Riesen" ist das meistbesuchte Naturwunder des Landes und gehört zum Unesco-Welterbe. Tausende von sechseckigen Basaltsäulen stehen wie Orgelpfeifen meterhoch in der Brandung. Seit Jahrhunderten kommen Menschen von weither und rätseln, wie diese seltsamen Felsformationen entstanden sind. Wollte wirklich ein Riese einen Damm hinüber nach Schottland bauen? Oder gibt es eine natürliche geologische Erklärung?
Um alle Fragen zu beantworten, wurde im Juli 2012 ein neues Besucherzentrum am Giant's Causeway eröffnet. Und doch wandert man am besten selbst zu den Basaltsäulen, um sich eine eigene Meinung zu bilden.

Reportage (Radio hr4, 15.06.2013; rbb-INFOradio, 29.06.2013):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

"Hallo, herzlich willkommen am Causeway ..."

Man kann mit dem Audioguide am Ohr zu den Basaltsäulen wandern – oder mit einem Guide aus Fleisch und Blut. So einem wie Gavin Lapworth. Der spricht zwar nicht deutsch, dafür scheint er mit typisch britischem Humor gesegnet. Als wir wissen wollen, wie dieser Damm aus sechseckigen Säulen entstanden ist, behauptet er doch tatsächlich, den hat der Riese Finn McCool gebaut. Er wollte nach Schottland hinüber und seinem Rivalen Benandonner eine Lektion erteilen. Dabei sah Finn McCool, dass der schottische Riese noch riesiger war als er selbst, und kehrte schleunigst um.

[O-Ton Gavin Lapworth:]
"When he got to his house …
Als er nach Hause kam, sagte er seiner Frau Oona: 'Schnell, schnell, ich muss mich verstecken.' Sie schlug vor, er solle sich als Baby verkleiden und ins Bett legen. Dann tauchte  Benandonner auf und Oona sagte: 'Finn ist auf die Jagd gegangen. Du kannst ja so lange warten.' Nach einer Weile fragte sie ihn, ob er das Baby sehen wolle. Sie gingen zusammen ins Schlafzimmer, und als Benandonner dieses 17 Meter große Baby sah, dachte er: Oh, mein Gott! Wie groß muss dann erst der Vater sein? Da drehte er sich um, rannte zurück nach Schottland und zerstörte hinter sich den Damm.
… the causeway up as he went."

Besucher mit Audioguide
Causeway-Guide Gavin Lapworth
"Stiefel des Riesen"

Eine coole Geschichte also, das mit Finn McCool. Aber ist sie auch wahr? Klar, meint unser Guide, in Schottland könne man das andere Ende des Dammes sehen. Und er präsentiert noch einen handfesten – oder besser: fußfesten – Beweis:

[O-Ton Gavin Lapworth:]
"Well, where we're standing now …
Wo wir gerade stehen, sieht man eine Felsformation, das heißt manche Leute glauben, es sei eine Felsformation, aber wir wissen, dass es Finn McCools Stiefel ist. Das ist ganz deutlich zu sehen. Wir haben ihn vermessen, und er hat die Schuhgröße 93 ½. Daraus kann man schließen, dass der Besitzer 17 Meter groß gewesen sein muss.
… you need to be 54 feet tall."

Und er zeigt uns eine weitere vermeintliche Felsformation: das Kamel, mit dem Finn McCool einst sein schweres Baumaterial transportierte. Das alles ist in der Tat sehr überzeugend. Und trotzdem gibt es offenbar phantasielose Menschen – so genannte Wissenschaftler – die Gavin Lapworth' Version von der Entstehung des Damms als bloße Legende abtun.

"Finn McCools Kamel"
Säulen aus erkalteter Lava
Sechseckige Säulen

[O-Ton Gavin Lapworth:]
"The scientific explanation is …
Die wissenschaftliche Erklärung ist, dass der Causeway ein Flusstal war, das sich mit Lava und Magma füllte, vor ungefähr 16 Millionen Jahren. Weil sie nur sehr langsam abkühlte, brach sie auf, wie Schlamm aufbricht, wenn er trocknet. So wurden die sehr charakteristischen Säulen geformt, von denen wir mehr als 40.000 haben, die Sie hier sehen.
… that you see around this now."

Das wiederum klingt doch eigentlich nicht unvernünftig. Aber unser Guide schüttelt nur mitleidig den Kopf. Er bevorzugt die Mythen und Sagen. Alles andere ist für ihn nur geologischer Unsinn:

[O-Ton Gavin Lapworth:]
"Well, I, of course, prefer the myths and legends and none of that scientific and geological nonsense for us."

Und das sagt immerhin der Fachmann. Wer könnte da noch widersprechen?

 

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