Papenburg 1


VON DER NUSSSCHALE ZUM OZEANRIESEN
- Einblicke in 200 Jahre Werftgeschichte

Papenburg liegt nicht an der Küste, aber über die Ems sind es nur wenige Kilometer bis zur Nordsee. Deshalb hat der Schiffbau hier eine lange Tradition. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Papenburg mehr als 20 Werften, heute ist nur noch die Meyer-Werft übrig geblieben, aber auch sie blickt auf eine mehr als 200-jährige Geschichte zurück. 1795 begann Stammvater Willm Rolf Meyer mit dem Bau von Segelschiffen aus Holz, knapp hundert Jahre später baute sein Nachkomme Joseph Lambert Meyer das erste Dampfschiff aus Eisen. Seit 1982 wird das Familienunternehmen in der sechsten Generation von Bernard Meyer geleitet; mit dem Bau von Kreuzfahrtschiffen hat er es in ganz neue Fahrwasser gesteuert. Heute gehört sein Unternehmen zu den führenden in der Branche weltweit.
Um das gewachsene Interesse der Öffentlichkeit an der Traumschiff-Fabrik zu befriedigen, wurde Mitte der 90er Jahre ein Besucherzentrum eingerichtet und seither ständig erweitert. Mehr als drei Millionen Menschen waren schon dort. In dem Besucherzentrum wird nicht nur die gesamte Werftgeschichte lebendig – es ermöglicht sogar Einblicke in die nahe Zukunft.

Reportage (Radio hr4, 26.03.2011):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

Gedämpfter Lärm dringt aus der gigantischen Montagehalle herüber ins Besucherzentrum. Hinter der dicken Panoramascheibe wachsen gleich zwei neue Traumschiffe heran:

[O-Ton Albert Albers:]
"Im Hintergrund sehen wir die Celebrity Silhouette in der Endausrüstung. Dieses Schiff wird Ende Mai die Halle verlassen und Ende Juli abgeliefert werden an die Reederei. Das ist ein Kreuzfahrtschiff für über 2.900 Passagiere und 1.300 Mann Besatzung. Im Vordergrund sehen wir hier große Bauklötze, das sind Blöcke für die Disney Fantasy. Die werden dann, wenn das andere Schiff die Halle verlassen hat, wie so ein Lego-System, wie so ein Baukasten, zum Schiff zusammengesetzt."

Albert Albers hat selbst 45 Jahre lang auf der Meyer-Werft Schiffe gebaut. Jetzt ist er Rentner und führt Gäste durch das Besucherzentrum. Er zeigt uns detailgetreue Modelle, die erahnen lassen, welche rasante Entwicklung die Werft genommen hat. Im Vergleich zu den Ozeanriesen von heute waren die Meyer-Schiffe der ersten Generation Nussschalen.

Montage der "Disney Fantasy"
Meyer-Bark aus dem 18. Jht.
"Graf Goetzen" von 1913

[O-Ton Albert Albers:]
"Damals hatten die Schiffe Tragfähigkeiten von hundert, hundertfünfzig Tonnen. Heute sind das Schiffe, die sechzig-, siebzigtausend Tonnen Tragfähigkeit haben. Das sind schon erhebliche Größenunterschiede."

Obwohl noch vergleichsweise klein, gelangte eines der Meyer-Schiffe schon früh zu Weltruhm. Die Graf Goetzen spielte eine Hauptrolle im Humphrey-Bogart-Film "African Queen".

[O-Ton Albert Albers:]
"Dieses Schiff wurde 1913 hier in Papenburg gebaut im Auftrag der kaiserlichen Kolonialverwaltung, allerdings nicht vernietet, sondern nur zusammengeschraubt, getestet, wieder auseinandergebaut, in 5.000 Kisten verpackt, nach Afrika verschifft, dort auf dem Landweg von Daressalam zum Tanganjikasee gebracht, größtenteils durch die Bahn, aber streckenweise mussten die Kisten auch getragen werden, die Bahnlinie war noch nicht überall fertig, und 1915 wurde das Schiff in Kigoma wieder in Dienst gestellt."

Meyer-Kreuzfahrtschiff "Homeric"
Montage der "AIDAmar"
Überführung zur Nordsee

Unter dem Namen Liemba schippert es dort noch heute über den See. Passagierdampfer haben also eine lange Tradition im Hause Meyer, aber erst vor 25 Jahren entdeckte die Werft den wachsenden Markt der Kreuzfahrtschiffe für sich. Die Homeric war das erste Exemplar, das in Papenburg vom Stapel lief. Viele weitere folgten – trotz harter Konkurrenz aus Italien, Frankreich und Finnland. Die Meyer-Werft ist zwar nicht billiger als die andern, aber sie versucht besser zu sein. Zum Beispiel indem sie nur noch unterm Hallendach produziert.

[O-Ton Albert Albers:]
"Versuchen Sie mal im Winter auf einem Schiff draußen Farbe aufzubringen. Hier in der Halle ist es immer trocken. In den Folien, da wird sogar beheizt, dass das warm ist, absolut trocken ist, wenn die Farbe aufgebracht wird, das ist eine ganz andere Qualität. Hier läuft kein Regenwasser von oben ins Schiff rein und verdirbt Maschinen oder Einbauten oder so was, das sind alles erhebliche Vorteile."

Wie die Werft selber werden auch die Kreuzfahrtschiffe immer größer, höher, breiter. So soll die Disney Fantasy 330 Meter lang und 37 Meter breit werden. Das ist Meyer-Rekord! Aber viel mehr geht auch nicht in Papenburg. Dafür ist die Ems einfach zu schmal. Noch größere Schiffe würden bei der Überführung in die Nordsee glatt stecken bleiben.

 

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Hinweis:

Spontane und individuelle Besichtigungen der Meyer-Werft sind leider nicht möglich. Einlass im Besucherzentrum ist nur für Gruppen, die sich zuvor bei der Papenburg Tourismus GmbH angemeldet haben. Einzelpersonen, Paare, Familien usw. werden dann zu Gruppen zusammengefügt. Anders, so heißt es, wäre der Besucheransturm auf die Werft nicht zu bewältigen.

 

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Hier geht's weiter zur "AIDAsol" und der Reportage Papenburg 2.