Rumänien 2


DIE KÖNIGE DER KARPATEN
- Bärenbeobachtung im Wald bei Kronstadt

Vampir-Sichtungen sind wohl meistens auf überschäumende Fantasie oder übermäßigen Alkoholgenuss zurückzuführen, Bären-Sichtungen dagegen sind in Rumänien sehr real und gehören fast schon zum Alltag. Etwa 6.000 Exemplare gibt es nach Schätzungen im Land, die meisten davon in den dichten Wäldern der Karpaten. Manche dringen auch bis an die Ränder der Städte vor und suchen in Mülltonnen nach Nahrung. Wenn also Touristen einen rumänischen Bären sehen möchten, können sie sich hinter einer Mülltonne verstecken und geduldig abwarten – irgendwann kommt vielleicht einer vorbei. Oder sie besuchen einen der Hochstände, die von der Forstverwaltung für die Bärenbeobachtung vorgehalten werden. Allein sieben sind es in der Umgebung von Kronstadt (rumänisch: Braşov). Ganz gefahrlos kann man dort den Königen der Karpaten auf den Pelz rücken. Die Wahrscheinlichkeit Bären zu sichten, liegt bei 99 Prozent, denn die Tiere werden extra für die Touristen angefüttert. Im Mülltonnenversteck ist die Erfolgsquote deutlich geringer.

Reportage (Radio hr4, 27.09.2014; rbb-INFOradio, 01.11.2014; SWR4 RP, 25.07.2021):

Leise, ganz leise, müssen wir sein auf dem Hochstand. Denn Bären sind zwar groß und kräftig, aber sie sind auch sehr scheu. Am besten sie merken gar nicht, dass wir hier sind, meint Katharina Kurmes, eine der besten Bären-Kennerinnen in der Region.  Seit vielen Jahren lebt die Siegerländerin im Karpatendorf Măgura, und seit vielen Jahren ist sie fasziniert von den Königen des Waldes:

[zum Anhören klicken: O-Ton Katharina Kurmes]

"Am Anfang war natürlich erst mal ein sehr großer Respekt und auch ein bisschen Angst, vor allem wenn man im Wald Bären begegnet, aber im Lauf der Zeit hab ich gelernt, dass Bären keine aggressiven Tiere sind, im Gegenteil, Bären versuchen Kontakt zu den Menschen zu vermeiden und verschwinden, wenn wir ihnen zu nahe kommen, was eigentlich für die Größe des Tieres ungewöhnlich ist."

Trotzdem müssen wir nicht lange warten, bis Meister Petz sich auf die Lichtung hervorwagt. Vorsichtig blickt er sich um. Dann aber scheint der Duft des Futters doch unwiderstehlich. Und er bleibt nicht der einzige, der sich von Honig, Nüssen und anderen Leckereien verführen lässt. Katharina Kurmes kennt die meisten von ihnen, einige sogar mit Namen.

[O-Ton Katharina Kurmes:]
"Das sind dann manchmal Spitznamen oder nach der Besonderheit, die sie aufweisen, wie zum Beispiel der eine, der eben hier war, der heißt 'Komma', weil er weiße Flecken hat, die wie ein Komma aussehen. Oder einer heißt 'Bärtchen', weil er einen relativ langen Bart unter dem Kinn hat."

Bärenexpertin Katharina Kurmes
Bär "Komma" (links)
13 verschiedene Bären

Früher, erzählt sie, wurden die Bären auch von diesem Hochstand aus bejagt, dann kämpfte sie zusammen mit anderen Tierschützern dafür, dass statt der Jäger nur noch Touristen herkommen dürfen. Zuerst lachte man sie aus, doch schließlich erkannte die Forstverwaltung, dass mit der Bärenbeobachtung sogar mehr Geld zu verdienen ist als mit der Bärenjagd, und rüstete den Hochstand entsprechend  um.

[O-Ton Katharina Kurmes:]
"Wir haben große Fenster, aus denen alle Touristen sehen können, auch fotografieren können, es sind mittlerweile Bänke hier, wie im Theater ansteigend, sodass auch jeder die Chance hat was zu sehen."

Wir kriegen an diesem Abend sogar weit mehr Bären zu sehen als erwartet, insgesamt 13 verschiedene: männliche, weibliche, braune, schwarze, junge und alte. Nur das erklärte Lieblingstier von Katharina Kurmes ist diesmal leider nicht dabei:

[O-Ton Katharina Kurmes:]
"Das ist ein sehr blonder Bär. Der hat so ein schönes Fell, das glänzt immer so schön golden."

Erst als die Nacht hereinbricht und die Futtertröge leergefressen sind, ziehen sich die Könige der Karpaten wieder in die Tiefen des Waldes zurück. Die Faszination, die sie auf Katharina Kurmes ausüben, hat sich längst auf uns übertragen. Und wir können nur hoffen, dass die Bären auch anderswo keinem Jäger vor die Flinte laufen.

 

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