Texas 1


WILLKOMMEN ZUM WURSTFEST
- deutsche Gemütlichkeit in New Braunfels

Von allen texanischen Orten mit deutschen Wurzeln ist New Braunfels der bedeutendste. Er hat gut 30.000 Einwohner und liegt eine halbe Autostunde nordöstlich der Millionenstadt San Antonio. Auf den ersten Blick sieht New Braunfels aus wie die meisten amerikanischen Kleinstädte: Riesige Reklametafeln entlang der Autobahn, Fast-food-Restaurants und Supermärkte beherrschen die Szenerie. Aber das Zentrum mit seiner Vielzahl von historischen Gebäuden und seiner Vielzahl von deutschen Namen im Straßenbild unterscheidet New Braunfels doch ein wenig von anderen amerikanischen Kleinstädten. Und einmal im Jahr, Anfang November, stellen die Bewohner ihre deutsche Vergangenheit unübersehbar zur Schau – dann nämlich feiern sie ihr traditionelles "Wurstfest". Es gilt als das größte deutsche Volksfest in den USA, und Ähnlichkeiten mit dem Münchner Oktoberfest sind durchaus beabsichtigt.

Titelfoto: Wurstfest in New Braunfels

Reportage (Radio SWR4 RP, 13.01.2003):

[Atmo Festzelt:]
"Liebe Damen und Herren, wellkommen Sie alle zu unsere 42. Wurschtfest. Wir hoffen, Sie ham 'ne gute Zeit und ham viel Spass."

Zehn Tage lang geht’s hier im wahrsten Sinne des Wortes um die Wurst. Rund 150.000 Besucher werden erwartet – zu allem, was man hier mit "German Gemütlichkeit" verbindet. Dazu gehören Blasmusik, Polka-Tanzgruppen, bayerisches Weißbier und natürlich nicht zuletzt: die Wurst.

Ich frag' mal an einer Würstchenbude nach. "Wursthaus Edelweiß" steht da dran und innen steht ein Herr mit Tirolerhut und einer schwarzen Lederhose. "Welche Wurstsorten bieten Sie denn an – what kind of wurst do you offer?" – "Munich Bratwurst und geräuchert' Bratwurst – smoked Bratwurst." – "Which is your favourite one – welche mögen Sie am liebsten?" – "Munich Bratwurst." – "Have you ever been to Munich?" – "Yes, I'm from Landshut."

(Atmo: Blasmusik)

Die meisten Wurststände sind im "Marktplatz“ untergebracht. Das ist eine große Halle. Da befindet sich ein Wurststand neben dem anderen. Die Halle ist voller Menschen. Viele von ihnen tragen bayerische Lederhosen, die Frauen Dirndl. Und gleich nebenan, da ist die große "Wursthalle". Das war früher mal ein Lagerhaus für Baumwolle. Diese Halle ist jetzt voll mit Menschen. Es mögen etwa 2.000 bis 3.000 sein. Also ein wirklich großes Fest.

[Atmo: Blasmusik]

Es ist natürlich kein Zufall, dass ein solches großes Fest gerade hier in New Braunfels stattfindet. Die Stadt hat ihren Namen von Prinz Carl zu Solms aus Braunfels an der Lahn. Der Prinz war Abgesandter des Mainzer Adelsvereins und er hat die Stadt 1845 gegründet. Dieser Adelsverein wollte damals eine Art deutsche Kolonie in Texas gründen, das noch fast menschenleer war. Im Auftrag des Vereins hat der Prinz Land angekauft, um deutschen Auswanderern eine neue Heimat im Wilden Westen zu geben. Tausende sind damals diesem Ruf gefolgt.

"Wurst in Taschen"

Der Vorsitzende des Mainzer Adelsvereins war Herzog Adolf von Nassau. Deshalb kamen besonders viele Siedler aus dem heutigen Rheinland-Pfalz nach Texas. Nassau umfasste damals das Gebiet von Westerwald und Taunus. Allerdings ging der Verein ziemlich schnell pleite, und nix war's mit der deutschen Kolonie. Prinz Solms ging wieder zurück in die Heimat, aber viele Auswanderer sind geblieben und ihre Nachfahren halten noch heute ihr deutsches kulturelles Erbe hoch. Das Wurstfest ist nur ein Beispiel dafür.

[Atmo: Blasmusik]

Tja, wie sich das sonst noch verhält mit der deutschen Kultur und der deutschen Tradition hier in New Braunfels, diese Frage gebe ich jetzt an Helgard Hollis weiter, von der Deutsch-texanischen Gesellschaft.

"In Neu-Braunfels gibt es auch einen Schützenverein – und zwar seit ungefähr 1850. Es ist der älteste Schützenverein in den Vereinigten Staaten. Und jährlich haben sie noch ein Schützenfest. Außerdem, was noch typisch deutsch wäre, ist, dass es hier noch Leute gibt, die gerne kegeln mit neun Kegeln. Und es wird auch noch sehr oft Skat gespielt ..."
- Was aber auch zur Kultur gehört, das ist ja die Sprache. Man trifft hier nicht allzu viele Leute, die noch Deutsch sprechen. Woran liegt das denn?
"Ja, leider durch die Weltkriege. Nach dem Ersten Weltkrieg war es natürlich nicht so beliebt Deutsch zu sprechen. Und nach dem Zweiten Weltkrieg war es fast verboten, vor allen Dingen in den Schulen war es verboten."

Trotz allem trifft man hier auch auf dem Wurstfest vereinzelt ein paar deutsche Touristen.

- Wie gefällt’s Ihnen denn hier?
"Ja, ich find’ es überraschend und mir gefällt’s ganz gut."
- Was haben Sie denn erwartet?
"Ich hab’s mehr kommerzieller erwartet wie’s is’ und ich find’s sehr schön aufgemacht."

Und sie werden bestimmt noch viel Spaß haben. Das Fest geht, wie gesagt, zehn Tage lang. Und bis dahin zumindest ist New Braunfels fest in deutscher Hand.

[Atmo: "Ein Prosit der Gemütlichkeit ..."]

 

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Hier geht's zurück ins 19. Jahrhundert und zur Reportage Texas 2.