Zürich 1


EINSTEIN TRIFFT LENIN
- Zürich für "Kulturbeutel"

Die Erkenntnis, dass Zürich ebenso lebenswert wie liebenswert ist, hat Tradition. Das liberale, tolerante und multi-kulturelle Klima zieht schon seit mehr als hundert Jahren immer wieder berühmte Persönlichkeiten an, die hier eine neue Heimat finden. Künstler, Dichter und Denker aller Art – von Richard Wagner über Thomas Mann und Albert Einstein bis hin zu Lenin. Viele kamen unfreiwillig, waren zuvor aus der alten Heimat vertrieben worden, doch für die meisten wurde die Schweizer Dörfli-Metropole schnell zur zweiten Heimat. Und bis heute scheint die Stadt von ihrer Attraktivität für Prominente nichts eingebüßt zu haben. So wird eine Entdeckungsreise durch Zürich unweigerlich zu einer Begegnung mit den Berühmtheiten dieser Welt. Ob zu Lande oder auf dem Wasser. Wer also ein echter "Kulturbeutel" ist, darf sich das nicht entgehen lassen!

Titelfoto: Zürich vom See aus gesehen

Reportage (Radio hr4, 03.09.2005; hr-iNFO, 17.09.2005):

[zum Anhören klicken: komplette Reportage]

[Atmo: Bootstour]
"Geschätzte Gäste, im Namen der Zürich-Schiffahrtsgesellschaft und der Gastronomie begrüßen wir Sie an Bord des Motorschiffes 'Helvetia' zur Mittagsrundfahrt. Wir wünschen Ihnen einen guten Appetit."

Bei einem knusprig gebratenen Egli mit herzhafter Remouladen-Sauce schippern wir gemütlich über den Zürichsee. Vorbei an den Villen der Vororte. Wer hier wohnt, ist auf der Sonnenseite des Lebens zu Hause. Nicht umsonst wird das Seeufer auch die "Goldküste" genannt. Nicht weit vom Bootsanleger selbst beispielsweise entdecken wir die Wohnung von Udo Jürgens. Natürlich in bester Lage und mit Blick auf den See. Wenige Kilometer weiter in Küsnacht passieren wir das Anwesen von Rock-Sängerin Tina Turner. Und gegenüber in Kilchberg hat Thomas Mann sein Exilantendasein genossen. Umgeben von so viel Prominenz, wird die Bootsfahrt zum Genuss. Aber das ist sie ja sowieso.

[O-Ton Passagierin:]
"Ich find's halt schön, weil der See hier zur Stadt gehört. Die Stadt baut sich ja um den See mit auf, und von daher find' ich das schön, auch die Stadt vom See her zu erleben."

Wieder zurück auf festem Boden, fahren wir mit der Poly-Bahn, einer Standseilbahn, zum Universitätsgelände hinauf. In den altehrwürdigen Hörsälen der Eidgenössischen Technischen Hochschule haben schon Leute wie Wilhelm Conrad Röntgen Physik-Vorlesungen gelauscht. Auch Albert Einstein gehörte zu den Studenten und später sogar zu den Professoren der Fakultät.

Bootstour auf dem Zürichsee
Eidgenössische Technische Hochschule
ETH-Ikone Albert Einstein

Unweit der Uni, in der Kantonsschulstrasse, lebte der deutsche Satiriker und Exilant Kurt Tucholsky mit seiner Geliebten Hedwig Müller.

[O-Ton Peter Ern:]
"Dank seinen Liebesbriefen an diese Frau Müller wissen wir, dass er sehr verliebt gewesen sein muss, weil er hat sehr oft den Kosenamen, mit dem er unterschrieben hat oder wie er diese Frau benannte, den hat er sehr oft gewechselt. Und so wissen die Ehepaare bis zum heutigen Tag, wenn sie immer den Kosenamen zu hören bekommen, bevor sie schlafen gehen, dann ist die Ehe noch in Ordnung. Das haben wir Tucholsky zu verdanken."

Es ist kaum zu überhören: Stadtführer Peter Ern ist sichtlich stolz auf den prominenten Zürcher vergangener Tage. Und nicht nur auf ihn. Als nächstes steuert er die Spiegelgasse in der Altstadt an. Die Schrifttafel am Haus Nummer 12 erinnert an einen berühmten Hessen:

[Inschrift:]
"In diesem Hause starb am 19. Februar 1837 der Dichter Georg Büchner."

Der Mann, nach dem Deutschlands bedeutendster Literaturpreis benannt ist, galt in seiner hessischen Heimat als Revoluzzer.

[O-Ton Peter Ern:]
"Georg Büchner kam im Jahre 1835 als Flüchtling nach Zürich und er wurde steckbrieflich gesucht. Wir hätten ihn eigentlich ausweisen sollen. Er durfte aber in Zürich bleiben, bekam an der medizinischen Fakultät der Uni Zürich eine Stelle und hatte so die Möglichkeit, zwei seiner Werke in Zürich fertigzuschreiben."

Stadtführer Peter Ern
Büchner-Haus
Café Odeon

Das Drama "Dantons Tod" und das Lustspiel "Leonce und Lena" sind in der Zürcher Spiegelgasse entstanden. Kurioserweise gleich nebenan, im Haus Nummer 14, wohnte Jahrzehnte später ein anderer bekannter Revoluzzer: Wladimir Iljitsch Uljanow, besser bekannt unter dem Namen Lenin. Auch er hatte Zürich als Exil gewählt und von dort aus den Umsturz im russischen Zarenreich geplant.
Noch mehr Prominenz auf engstem Raum gab's wohl nur noch im Café Odeon am Limmatquai. In gediegener Jugendstil-Atmosphäre, ganz in Marmor und Messing gehalten, traf sich in den Dreißiger Jahren fast alles, was in der deutschsprachigen Literatur Rang und Namen hatte.

[O-Ton Peter Ern:]
"Denken Sie an Stefan Zweig, Franz Kafka, die beiden Schweizer Schriftsteller Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt, Carl Zuckmayer zu seiner Zeit. Bertolt Brecht hat hier auch Kaffee getrunken. Also, das war schon eines der potenten Caféhäuser in Zürich."

Heute sind die Gäste nicht mehr ganz so berühmt wie vor dem Zweiten Weltkrieg, aber an der originellen Einrichtung hat sich seither nicht viel verändert. Und noch etwas ist geblieben: Der Champagner im offenen Ausschank, das so genannte Cüpli. Diese Erfindung des Café Odeon ist inzwischen fester Bestandteil Zürcher Getränkekarten geworden. Denn mit einem solchen Cüpli voll Schampus in der Hand fühlt man sich fast so reich und berühmt wie die genannten Herrschaften, die früher hier verkehrten.

[Atmo: klingende Gläser]

 

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